
Mein Warum? - Cradle2Cradle!
Braungarts Bilanzen – 40 Jahre auf den Spuren der Chemie
Folge 9 – Kreislaufwirtschaft ist eine Sackgasse
Riesenradfahren kann schnell stinklangweilig werden. Selbst im Wiener Prater wird’s fad und pretty boring im London Eye. Spätestens nach der dritten Rotation weißt du Bescheid. Auf den ersten Blick sieht es interessant aus, aber eigentlich passiert immer nur das Gleiche. Ich nutze dieses Beispiel gern, um zu zeigen, dass Kreislaufwirtschaft nichts weiter ist als zum Kreis gebogene Linearität. Sie ist nicht nur öde, sondern auch noch innovationsfeindlich. Und trotzdem wird Kreislaufwirtschaft regelmäßig mit dem Cradle-to-Cradle-Prinzip vertauscht oder gleichgesetzt. Mir liegt am Herzen, diesen Unterschied noch einmal in einer Gegenüberstellung klarzumachen:
Während die Kreislaufwirtschaft dem Imperativ „Recycle!“ folgt (obwohl das fast immer ein Downcycle ist), ruft man in einer Cradle-to-Cradle-Welt „Rethink! Reinvent! Redesign!“
Während die Kreislaufwirtschaft das Bestehende optimieren will und es damit nur gründlicher, also in höchster Effizienz falsch macht, setzt Cradle to Cradle auf Effektivität und wagt den Neuanfang.
Während die Kreislaufwirtschaft darauf setzt, mit alten Produkten und Geschäftsmodellen weniger schädlich, weniger giftig, weniger verschwenderisch zu sein, den negativen Fußabdruck also minimieren will, feiert Cradle to Cradle einen großen Abdruck mit Produkten, die ausschließlich nützlich sind.
Während die Kreislaufwirtschaft den Menschen als Schädling begreift und ihm dafür auch noch ein schlechtes Gewissen verpasst, darf der Mensch mit Cradle to Cradle ein Schöpfer sein, der mit Gestaltungsfreude ans Werk gehen kann.
Während die Kreislaufwirtschaft Abfall vermeiden will, existiert in einer Cradle-to-Cradle-Welt noch nicht mal der Abfall-Begriff, denn alles ist Nährstoff. Alles, was verschleißt und bei der Nutzung in die Umwelt übergehen könnte, ist biologisch abbaubar.
Während die Kreislaufwirtschaft auf Langlebigkeit von Produkten setzt und ein Hersteller aufs Recht auf Reparatur, setzt Cradle to Cradle auf definierte Nutzungszeiten und ein Recht auf Intaktheit. Die Hersteller verkaufen ihre qualitätsvollen Produkte nicht, sondern nur den Nießbrauch.
Während die Kreislaufwirtschaft die Umweltbelastung lediglich reduziert, will Cradle to Cradle Lebensräume aufwerten. Mit der entsprechenden Fassade kann ein Haus auch von außen zum Lebensraum werden – und eine Stadt zum Wald.
Während die Kreislaufwirtschaft Bodenerosion nur verringern will, baut Cradle to Cradle den Boden auf. Auf der einen Seite reduziert man die Pestizide, auf der anderen Seite lässt man sie weg und bringt Artenvielfalt auf natürliche Weise in den Humus.
Während in der Kreislaufwirtschaft oft von Klimaneutralität gesprochen wird, strebt Cradle to Cradle nach einem klimapositiven Einfluss. Kein Baum ist klimaneutral, sondern gut fürs Klima. Genau so wie keine Eltern kinderneutral sein wollen, sondern doch gut zu ihrem Kind.
Quelle: Michael Braungart (auf LinkedIn)
By the way: schaut euch den Film "Die Recyclinglüge" mal an
Foto @rittelmelanie von melaniesfotowelt